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Veranstaltungsreihe: Collegium Musicologicum
Vortrag

"Verklärter Kontratanz: Die Entstehung des Adagios aus Beethovens Quartett Op. 1

Francesco Fontanelli (Universität Pavia) "Verklärter Kontratanz: Die Entstehung des Adagios aus Beethovens Quartett Op. 127"

Termine

Do., 14.11.2024
18:00 Uhr - 19:30 Uhr

Standort

Am Kupfergraben 5, 10117 Berlin Institutsgebäude

Eintritt

frei

Francesco Fontanelli (Universität Pavia)
Verklärter Kontratanz: Die Entstehung des Adagios aus Beethovens Quartett Op. 127

Im Jahr 1876 veröffentlichte Gustav Nottebohm einige Transkriptionen von Skizzen zum Quartett Op. 127 und enthüllte damit eine bislang unbekannte Hintergrundgeschichte: Das Thema des Adagios, eines der ergreifendsten und ekstatischsten des ganzen Beethoven'schen Oeuvre, soll sich aus einem Motiv in Sechzehntelnoten ableiten, das als perpetuum mobile in einem Allegro grazioso mit dem Titel La gaieté wiederholt wird. Dieser Satz war im ursprünglichen Plan des Werkes enthalten, doch Beethoven entschied sich später, ihn zu streichen und den Inhalt neu zu gestalten.
In meinem Vortrag werde ich die Entstehungsschritte des langsamen Satzes des Quartetts rekonstruieren, und dabei die möglichen Vorbilder des Komponisten und die technisch-stilistischen Probleme aufzeigen, mit denen er sich auseinandersetzte. Zunächst gilt es, die Ursprünge der Gaieté zu beleuchten, die bisher noch nicht erforscht wurden. Der französische Titel taucht in Sammlungen von Airs de contredanses aus dem späten 18. Jahrhundert auf und findet sich später im Klavierrepertoire der Charakterstücke, von Carl Reissiger bis Carl Maria von Weber. Betrachtet man diese beiden Vorläufer, so werden die Umrisse des ursprünglichen Projekts von Op. 127 deutlicher. Die Skizzen zeigen nämlich die Stilisierung eines spielerischen Kontratanzes im 2/4-Takt, auf den ein motivisch verwandter, aber charakterlich kontrastierender Satz folgen sollte: ein Adagio in As-Dur im Belcanto-Stil (ursprünglich im 9/8-Takt, ähnlich dem des Septetts op. 20). Die Untersuchung der autographen Quellen deutet darauf hin, dass Beethoven nach seinen jugendlichen Experimenten in den Quartetten Op. 18 auf verschiedene Weise versuchte, eine 'theatralische' Gegenüberstellung von tänzerischem und lyrischem Thema zu erreichen. Schließlich traf er die entscheidende Wahl: Er ließ La gaieté verschwinden, sodass nur die Melodie des Adagios übrig blieb – verklärt als Danse lente mit einer Aura erhabener Melancholie. Bezeichnend dafür ist das Vorhandensein einer 'Helldunkel'-Harmonisierung in den Skizzen, die auf der Wechselwirkung zwischen f-Moll und As-Dur basiert. Durch dieses koloristische Mittel schuf Beethoven einerseits eine suggestive Anspielung auf die subdominantischen Klänge des Allegro des ersten Satzes und verstärkte andererseits die strukturelle Kohärenz des Quartetts. Anhand von Beispielen aus dem kreativen Prozess werde ich zeigen, wie die Skizzenforschung unseren analytischen Blick auf das fertige Werk schärfen kann.


Francesco Fontanelli
 schloss sein Klavierstudium mit Auszeichnung am Konservatorium "Giuseppe Verdi" in Como ab und studierte Musikwissenschaft an der Universität Pavia (Sitz in Cremona), wo er seinen Masterabschluss erwarb und 2019 mit einer Dissertation zum Streichquartett Op. 127 von Beethoven promovierte. Seine Hauptinteressen umfassen die Skizzenforschung zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert, die Musikdramen Richard Wagners und die Analyse posttonaler Musik. Neben Beethoven hat er Aufsätze zu Liszt, Wagner, Puccini und den italienischen Komponisten der sogenannten "Generazione dell'Ottanta" verfasst, die in führenden Fachzeitschriften in Italien als auch international veröffentlicht wurden (darunter kürzlich erschienene Artikel in The Beethoven Journal und The Musical Quarterly). Für sein Buch über die Orchesterwerke von Alfredo Casella, die erstmals auf Grundlage von Archivquellen analysiert wurden, erhielt er den Preis "Arthur Rubinstein. Una vita per la musica" (Venedig, Teatro La Fenice, 2016). Er verbrachte ein Studiensemester im Beethoven-Haus Bonn und war Stipendiat am Institut für Musik der Giorgio-Cini-Stiftung in Venedig, wo er an der Katalogisierung des Fonds Roman Vlad arbeitete. Als Postdoc am Institut für Musikwissenschaft in Cremona war er an einem Projekt zu den späten Sonaten Skrjabins beteiligt (unter der Leitung von Gianmario Borio) und lehrte vier Jahre lang den Masterkurs "Probleme der Musikgeschichte". Als Fellow der Alexander-von-Humboldt-Stiftung ist er derzeit Gastwissenschaftler am Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der HU (Gastgeber: Prof. Arne Stollberg) und untersucht die Skizzen zu Beethovens "Galitzin-Quartetten", die in den Beständen der Staatsbibliothek zu Berlin aufbewahrt werden.


Weitere Informationen

Veranstalter: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft
Referenten: Francesco Fontanelli (Universität Pavia)

Zur Website der Veranstaltung

Kontakt

Penelope Braune
Telefon: +49 (30) 2093-2062
penelope.braune@hu-berlin.de

Adresse

Am Kupfergraben 5.Institutsgebäude
Raum: 501

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